...während ich am Computer sitze und für einen durchgeknallten Kunden einen live-Webcast von seinem Fabriktor aufsetze. Da ich viel lieber die Torszene, die verführerisch in einem Realplayer-Fenster im Hintergrund vor sich hinruckelt, anschauen würde, nehme ich eine Abkürzung und richte einfach ein Standbild ein, dem (mit der GD) jeweils das aktuelle Datum aufgedrückt wird. (entspricht natürlich nicht den realen Arbeitsmethoden ). Nach dem Upload von jeweils vier Bildern für Morgens, Mittags, Abends und Nachts (hoffentlich ist der Kunde bis Winter schon in der Klapse, sonst wird das ein echt stressiges Upgedate...) schalte ich begierig zum RealPlayer, was mit einer Schutzverletzung quittiert wird. Frustriert ziehe ich meine Jacke an und mache mich auf dem Weg zur Szenekneipe, die (neben einer sehr hübschen Bedienung) seit einigen Monaten mit einem inzwischen in der Sommersonne vergilbten "hier gibts Premiere"-Schild wirbt, unter das ein des deutschen nicht sonderlich kundiger Mensch mit Edding "Mit dreisig Zol TV" geschrieben hat.
So bummle ich also die Kneipenmeile entlang, danke meinem Schöpfer, dass ich nicht in Düsseldorf lebe (Sorry Aroree, ist nur des Kontexts wegen!) und was für Meilensteine der Menschheitsgeschichte mein spiessiges und zwanghaft einen auf sauber machendes, aber trotz allem doch angenehmes Bundesland schon hervorgebracht hat. Ob der Steinwerfer darunter ist, dessen kann ich mich aber nicht mehr entsinnen. Aber bestimmt gab es hier schon die Kehrwoche, als der Rest der Welt sich noch aus den Nebeln der Steinzeit zu winden begann. Böse Zungen behaupten natürlich, seitdem sei hier auch kein Zeitsprung gemacht worden, aber was solls. Immerhin gibt es hier viele Firmen, die aufstrebenden Karrieristen ein Sprungbrett bieten können, obwohl die oft ein Brett vorm Kopf haben. Aus einem Mülleimer riecht es nach Babykacke. Es gibt sogar, so erinnere ich mich, während ich durch die Meile laufe, Talentjäger, die Kopfgelder auf solche Leute aussetzen.
Als ich an der Kopfbahnhofshalle vorbeilaufe, bemerke ich, dass die Tauben schon wieder das Hallendach vollgeschissen haben. Was macht "Sauberle's Reinigungsservice", dessen Wagen immer neben der (übrigens ebenfalls vollgeschissenen) Litfassäule vor der Halle steht, eigentlich den ganzen Tag? Arbeiten jedenfalls nicht. Das erinnert mich an den Dachdecker, der kürzlich für seinen Kostenvoranschlag 100 Euro von mir wollte. Arsch offen, oder? Naja. Bodenfensterdecker-Hunter, spinne ich so vor mich hin.
Dann komme ich an der protzigen Eingangstür meines "Ich fahr in zwei Jahren nen Porsche"-Klassenkameraden vorbei. Nach mehreren erfolglosen Versuchen im Vermögensberatungsgeschäft war er erst "Event-Veranstalter", dann "Erlebnis-Coach". Jetzt ist er laut Schild "Sells-Manager" eines zwielichtigen Aktienfonds. Mit dem Englischen hat ers halt nie so gehabt. Und ein Managersyndrom wird er sich auch nicht einfangen, bei dem Geschäftsvolumen, das er zu haben scheint (Spinnweben an der Tür). Naja.
Nächstes Wort: Syndromtherapeuten-Abmahner. Viel Spass damit. Vielleicht einigen wir uns drauf, Wörter über 20,25 Buchstaben länge auszulassen?
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