Softwarepatente : Hochrangige Europaparlamentarierin wirft EU-Kommission „Schulterschluss mit Microsoft“ vor und sieht nächste Niederlage von Kommissi
"Unüberlegter Schulterschluss mit Microsoft, der die EU-Kommission noch teuer zu stehen kommen könnte" -- "Bill Gates [...] schafft sich im Moment immer mehr Gegner im EU-Parlament" -- Scharfe Kritik an der Kommission übten zuvor schon CDU/CSU und FDP
2005-03-03 00:00:00 2005-03-03 00:00:00 admin
Brüssel (03. März 2005). Von einem "unüberlegten Schulterschluss mit Microsoft, der die EU-Kommission noch teuer zu stehen kommen könnte", spricht Maria Berger, Delegationsleiterin der österreichischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und Koordinatorin der zweitgröÃten Fraktion (PSE) im Rechtsausschuss, angesichts der jüngsten Entwicklungen in Sachen Softwarepatente. In der Auseinandersetzung um die von Bill Gates gewünschte Patentierungsmöglichkeit für Software habe sich die EU-Kommission dazu hinreiÃen lassen, unüberlegt die Position des Microsoft-Gründers einzunehmen.
Berger weiter: "Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat in einem Brief an EU-Parlamentspräsident Josep Borrell einen Neustart des Verfahrens zur Softwarepatent-Richtlinie abgelehnt. Genau dies hatte das EU-Parlament aber mit groÃer Mehrheit gefordert." Deshalb, so Berger, auf deren Antrag im Rechtsausschuss der Neustart-Prozess Anfang Februar in Gang gebracht wurde, sei dieses Schreiben eine neuerliche Provokation der europäischen Volksvertretung. Barroso liebe es offenbar, gegenüber dem EU-Parlament hoch zu pokern. Das habe ihm aber im letzten Jahr bei der Bestellung der EU-Kommission bereits seine erste Niederlage beschert.
Berger abschlieÃend: "So wie sich die Situation derzeit darstellt, könnte Barroso nun noch einmal in die selbe Situation geraten. Und auch Bill Gates, der unlängst sogar selbst in Europa unterwegs war, um Druck für eine Richtlinie in seinem Sinn zu machen, schafft sich im Moment immer mehr Gegner im EU-Parlament."
Die Original-Pressemitteilung befindet sich an folgender Adresse:
http://www.spe.at/berger/3/a.html#pm19
Florian Müller, Leiter der 17-sprachigen Kampagne NoSoftwarePatents.com, hatte zuvor schon seine Sorge ausgedrückt, dass EU-Kommissar Charlie McCreevy "möglicherweise mehr daran interessiert ist, was für Microsoft gut ist, als was Europa im Ganzen nützt". Seine Bedenken begründet er damit, dass Microsoft der gröÃte Steuerzahler Irlands sei, da Microsoft aus dem "Steuerparadies" in Dublin seine Kunden in der gesamten EU beliefere.
Ferner erläuterte Müller, dass "Irland mit seinem Steuersparprogramm für europäische Niederlassungen von US-Softwarefirmen innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten den Sprung vom ärmsten zum reichsten Land Europas geschafft hat".
Vor kurzem hat NoSoftwarePatents.com einen ausführlichen Text veröffentlicht, der die wirtschaftliche Abhängigkeit Irlands von Microsoft und vergleichbaren US-Konzernen darlegt und Irlands Verhalten in scharfem Ton anprangert:
http://www.nosoftwarepatents.com/phpBB2/viewtopic.php?t=390
Das Drängen Microsofts auf die Legalisierung von Softwarepatenten in der EU erregte vorletzte Woche groÃe Aufmerksamkeit, nachdem eine führende dänische Wirtschaftszeitung über angebliche Drohungen von Bill Gates gegen die dänische Regierung mit dem Abbau von 800 Arbeitsplätzen berichtet hatte.
Das Blatt zitierte die Cheflobbyistin von Microsoft in Dänemark. Die dänischen Sozialdemokraten reagierten mit einer Pressemitteilung, dass "Erpressung nicht die dänische Politik diktieren" dürfe. Microsoft dementierte im nachhinein, dass Gates die betreffende Aussage gemacht habe, räumt jedoch ein, dass der Zusammenhang von gewerblichen Schutzrechten mit Standortentscheidungen diskutiert worden sei.
Kritik an der Kommission aus allen politischen Lagern
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Die Fraktionsvorsitzenden des EP hatten einstimmig den Wunsch des Rechtsausschusses (JURI) nach Neuaufrollen des Verfahrens zur umstrittenen Softwarepatent-Richtlinie unterstützt. Eine Woche später, am 24. Februar, bekräftigte noch einmal das Plenum des EP einstimmig diese Aufforderung, obwohl eine Plenarabstimmung formal nicht mehr erforderlich war. Am 28.
Februar lehnte die Kommission diese Bitte ab, ohne einen Grund anzugeben.
Zumindest in der jüngeren Vergangenheit soll kein solches Neustartverlangen abgewiesen worden sein. Entsprechend hagelt es Kritik von allen Seiten.
Laut inhaltlich zuständigem Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Günter Krings MdB, "ignoriert" die EU-Kommission die "Interessen von Bürgern und Mittelstand". Zum "beispiellosen Affront" gegenüber dem Parlament meint er weiter: "Die Kommission muss sich nun fragen lassen, ob sie durch solche Entscheidungen den Bürger nicht von Europa entfremdet. Die arrogante Zurückweisung der Parlamentsbitte verdeutlicht das Demoraktie-Defizit der EU wie in einem Brennglas."
Die vollständige Pressemitteilung von Dr. Krings befindet sich an dieser
Adresse:
http://www.guenter-krings.de/presse/show.php?id=567
Für den FDP-Europaparlamentarier Alexander Alvaro handelt es sich um eine "Brüskierung" des Europäischen Parlaments. Die Entscheidung der EU-Kommission stöÃt laut der Internetseite der FDP bei den Brüsseler Abgeordneten auf Unverständnis und Verärgerung. Die FDP-Erklärung steht an folgender Adresse:
http://www.liberale.de/portal/index.phtml?page_id=8112&id=4157
Ing. Fritz Amann, der Bundesobmann des Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender und Klubobmann (Fraktionsvorsitzender) der FPà im Vorarlberger Landtag, Ing. Fritz Amann, rief nun seinen Parteifreund und österreichischen Infrastrukturminister Hubert Gorbach dazu auf, im EU-Rat aktiv zu werden. Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten sollten "die Notbremse ziehen und Barroso in seine Schranken weisen", nach dem die Kommission "sich von den Spielregeln einer Demokratie verabschiedet" habe.
Am kommenden Montag (7. März) tritt der EU-Wettbewerbsrat zusammen.
Nationale Parlamente in Ländern wie Dänemark und den Niederlanden versuchen noch in dieser Woche, ihre Regierungen dazu zu verpflichten, eine Neuverhandlung der Ratsposition zu erwirken. Nach dem ungewöhnlichen Verhalten der Kommission könne im EU-Rat nun "alles passieren", wie Beobachter meinen.
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